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Momentaufnahmen auf den Straßen von Greifswald

Vergessene Steine – Vergessene Menschen

von Tom Peterson und Paul Zimansky

Sie drängen sich einem nicht auf. Still und nahezu stoisch kämpfen sie gegen einen übermächtigen Gegner – das Vergessen. Wer diese „stillen Helden“ in Greifswald sucht, muss schon genau hinsehen. 27 Steine die uns an längst vergessene Menschen erinnern.

Die Rede ist von sogenannten „Stolpersteinen“, kleinen quadratischen Gedenktafeln, welche an das Schicksal von Menschen erinnern, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, deportiert, ermordet oder vertrieben wurden. Obwohl sie mittlerweile in zahlreichen Straßen Deutschlands aufzufinden sind, werden sie von den Meisten kaum wahrgenommen.

Mit dem Kopf und dem Herzen stolpern

Die ersten Stolpersteine wurden von dem Künstler Gunter Demnig 1992 vor dem Historischen Kölner Rathaus eingelassen. Auf die Frage, wie er auf den Begriff des „Stolperns“ kam, antwortete Demnig in einem arte-Interview: „Nein, nein, man stolpert nicht und fällt hin, man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen.“
Das Projekt soll als ein dezentraler Gegenentwurf zu den zentrale Gedenkstätten für die Opfer dienen, welche Demnigs Meinung nach, nicht genug sichtbar für die Öffentlichkeit wären. Man könne „die Mahnmale einfach umgehen„.

Die Intention der Stolpersteine sei es, den oft nur noch zu Nummern degradierten Opfern des NS-Regimes wieder ihren Namen zurückzugeben. Mit der genauen Markierung der „Tatorte“ in den oft dicht besiedelten Gebieten, wird die Schutzbehauptung einiger Zeitzeugen, nichts von den Deportationen gewusst oder mitbekommen zu haben, indirekt in Frage gestellt.

Das Bücken, welches notwendig ist um die Texte auf den Stolpersteinen zu lesen, soll gleichzeitig eine symbolische Verbeugung vor den Opfern darstellen.

Ein Stein, ein Name, ein Mensch

Den Talmud zitierend, beschreibt Gunter Demnig das Ziel seines Projektes: „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“ Mit den Stolpersteinen werde die Erinnerung an diese Menschen lebendig gehalten.

In über 500 Orten in Deutschland wurden die Gedenktafeln von Demnig mittlerweile verlegt – in ganz Europa sind es sogar über 48.000 Stück. Auch in Greifswald sind 27 Stolpersteine zu finden. Die ersten 11 wurden bereits 2008 verlegt, 16 weitere folgten bis 2014. Wer einen kleinen Rundgang in und um die Altstadt wagt, kann auf dem Stolpersteinweg mehrere davon entdecken.

 

(Karte: OpenStreetMap, Fotos: Tom Peterson & Paul Zimansky)


DSC_0316-1024x678[1]Tom Peterson ist Redakteur bei moritz.tv und als Biologie-Student ein echter Exot in der Redaktion. Neben Wale-Retten und dem Knuddeln mit Haien, schneidet er gerne Beiträge und geht Passanten mit Interviewfragen auf die Nerven.

 DSC_0316-1024x678[1] (2)Paul Zimansky ist seit Oktober 2013 bei den moritz.medien dabei und dort seit kurzem in der Geschäftsführung tätig. Sein politisches Engagement endet nicht hinter der Tür des Vorlesungssaal. Die Zukunft des Journalismus darf nicht durch die BLÖD-Zeitung gefährdet werden!


 

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Paul Zimansky • 29. März 2015


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