Schandfleck oder Kunstwerk
Von Philipp Schulz und Tobias Bessert
Man sieht sie fast überall in der Stadt. Schriftzüge mit Lack an Hauswände gesprüht. Graffiti sind schon seit langem ein Problem im Stadtbild. Aber sind diese nur Schandflecke, oder eine gelungene Weise seine eigene Meinung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen?
Sachbeschädigung statt freier Meinungsäußerung – Tobias Bessert
Wenn ich mein eigenes Haus habe, möchte ich auch selber entscheiden können, wie das Haus aussehen soll. Ganz sicher möchte ich dann keinen Schriftzug mit fragwürdiger Botschaft auf der Fassade haben. Den Sprayern ist dieser Wunsch meist egal. Überall wo sich eine freie Wand bietet, zücken sie ihre Waffen und legen los.
Unter dem Strich bleiben Graffiti illegal. Im Strafgesetzbuch (StGB) ist eindeutig erläutert, dass das Verändern des Erscheinungsbildes einer fremden Sache strafbar ist. Wird der „Künstler“ nicht ermittelt, muss der einfache Steuerzahler die Kosten der Beseitigung tragen.
§ 303 StGB
Sachbeschädigung(1) Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert.
(3) Der Versuch ist strafbar.
Hinzu kommt selbstverständlich die Qualität der Bilder. Professionelle Graffiti-Künstler haben die Möglichkeit ihre Ideen auf für sie vorgegebene Wände zu bringen. Erst wenn diese erschöpft sind entscheiden sich auch die talentierten illegal zu sprayen, was zur Folge hat, dass nur die allerwenigsten illegalen Graffiti Greifswalds anspruchsvoll sind.
Alles in allem bleibt die Feststellung, dass die Beschädigung fremden Eigentums eine Straftat ist. Wer Lust hat seine Meinung auf schriftlicher Art und Weise auszudrücken, kann dies immer noch in seinem Notizbuch machen. Möchte man, dass mehr Leute etwas davon haben, kann die „Kunstwerke“ dann immer noch in die sozialen Medien laden. Ist nur die Frage, ob die Sprayer wollen, dass die Leute wissen, wer hinter den stumpfen Parolen steht.
Zeig mir deine Graffiti und ich sag dir in was für einer Stadt du lebst. – Philipp Schulz
Graffiti belebt. Es gibt wohl keine andere Kunstspate, die die Menschen so sehr spaltet und gleichzeitig vereint. Es spiegelt das wieder, was die Gesellschaft einer bestimmten Region bewegt und ausmacht, wie die Menschen, zumindest der aktiv sprühende oder stickernde Teil denkt.
Deswegen wäre es zu einfach, Sachbeschädigung oder Vandalismus als Gründe für eine ablehnende Haltung gegenüber den bunten Bildern und Aussagen vorzuschieben anstatt sich einzugestehen, dass der Zweck in diesem Fall die Mittel mehr als heiligt. Vor allem wenn es um das Ausdrücken politischer Positionen geht. Bezogen auf die lokale Reichweite hat nichts in der heutigen Marketing- und Werbewelt eine ähnlich virale und supraliminale Wirkung wie ein Sticker, ein Plakat oder ein Spruch an der Wand in silberchrom und schwarzmatt. Bestes Beispiel aus der jüngsten Greifswalder Vergangenheit ist der Bildungsstreik der Studierenden, welcher erst durch eine ausgedehnte Vandalismuskampange die nötige Masse an Teilnehmern generieren konnte. Das Mobilisieren für Demonstrationen oder Kundgebungen über Street Art hat sich auch besonders in der linken Szene etabliert. Oft kann man an den Graffiti ablesen, welche politischen Ereignisse und Themen aktuell für Streit in der Stadt sorgen, wie zuletzt bei der Brinke 16/17 die zu einem Symbol um den Kampf für sozialen, selbstbestimmten Wohnraum wurde.
Die Vorteile von politischer Street Art liegen an der Wand.
Unabhängig von der Aussage und Ideologie, sind politische Graffiti das Gegengewicht zu den regionalen Leitmedien. Durch sie ist der Rezipient in der Lage, die an ihn gerichtete Botschaft unverfälscht und ohne die Einwirkung Dritter zu empfangen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Möglichkeit ein Graffito oder Sticker zu negieren, sei es durch das Entfernen oder Übersprühen einer anders denkenden Person, besonders gut sichtbar an dem Verändern von rechts gerichteten Graffiti durch Linke, besonders Antifa und andersrum.
Fotos: Philipp Schulz (Graffiti)