Ein Käse in der Hauptrolle – das geht! Der Kurzfilm Just in Case beleuchtet den Fertigungsprozess eines makellosen Käsestücks auf dem Fließband, einladend verpackt und fertig zum Verkauf.
Hinter der farbenfrohen Kulisse einer Fabrik üben die jungen Filmschaffenden der Fachhochschule Dortmund unterschwellig Konsumkritik und thematisieren das moderne Problem der wirtschaftlichen Überproduktion. Der Plot Twist am Ende des preisgekrönten Kurzfilms überrascht – und unterstreicht die Botschaft des Werks.
Geht man heutzutage in den Supermarkt, wird man von der massiven Auswahl an unterschiedlichen Produkten nahezu erschlagen. Dabei versprechen immer mehr Verpackungen eine liebevolle oder nachhaltige Herstellung und vermitteln den Eindruck eines besonders begehrenswerten Einzelstücks. So auch der Käse in Just in Case. Im Zeitrahmen einer Werbeanzeige wird der besagte Käse in aufwändiger Manier von verschiedenen Maschinen geschmolzen, gepudert, gewaschen und verpackt, was das Zeug hält. Sanfte Klänge einer Spieluhr und einheitliche Hintergrundfarben in grün, rosa und blau begleiten den Prozess. Insgesamt baut sich eine zunächst ziemlich unschuldige, fast kindliche Atmosphäre auf, einzig gestört durch die Akustik der einzelnen Maschinen. Am Ende der Fließbandarbeit sieht der Käse nicht nur aus wie geleckt, er bekommt auch einen Aufkleber verpasst, sozusagen als letzten Feinschliff. Doch was passiert nun mit dem perfekten Käse?
Achtung, Spoiler! Wer das Ende von Just in Case noch nicht erfahren will, kann die folgenden Zeilen überspringen und bei “Spoiler Ende” weiterlesen.
Es geht weiter auf dem Fließband. Allerdings nicht etwa in Richtung Einzelhandel, um vom nächstbesten hungrigen Konsumenten gekauft und verspeist zu werden – im Gegenteil. Die Szenerie wechselt und präsentiert dem Zuschauenden auf einmal die überaus hässliche Außenansicht der Fabrik. Völlig unerwartet setzt hier die Zäsur ein: Die Hintergrundmusik verstummt, von den schönen Farben ist weit und breit nichts mehr zu sehen. Die Umgebung erscheint auf einmal trist, dunkel und lieblos. Der Käse rutscht bis zum Ende des Fließbands und fällt schließlich hinunter auf einen riesigen Haufen anderer Produkte; Lebensmittel, die in ihrer schönen Verpackung vor sich hin gammeln und niemals auf dem Teller des Verbrauchers landen werden. Aus dem vermeintlich perfekten Käse wird nun Abfall, aber: “At least it was made with love”. Diese Worte erscheinen im finalen Frame und hinterlassen Wirkung auf den Zuschauenden. Die kalte Realität steht in schockierendem Kontrast zu der heilen Welt, die das Interieur der Fabrik vorzugaukeln versucht, ganz nach dem Motto “Mehr Schein als Sein”. Für mich kam an dieser Stelle jedoch auch ein bisschen Verwirrung auf. Warum wird der Käse direkt nach der Fertigung entsorgt? Die Antwort darauf kann ganz unterschiedlich ausfallen und wird vom Film nicht beantwortet. Vielleicht wurden schon zu viele andere Käsepackungen produziert. Vielleicht ist dieser Käse nicht perfekt genug. Oder vielleicht geht es lediglich um die Symbolik des Abfallproblems.
Spoiler Ende!
Leider kann man das Schicksal des Käsestücks in Just in Case auch auf den Markt und unseren Konsum im Allgemeinen beziehen. Wie oft lassen wir uns von Werbefilmen einwickeln, die uns ein angeblich perfektes Produkt vortäuschen? Steht die Vermarktung grundsätzlich vielleicht sogar über der eigentlichen Qualität des Produkts? Nicht zu vergessen ist auch die Tatsache, dass vor allem in Industrieländern viel mehr produziert als verbraucht wird und das Angebot in einem krassen Ungleichgewicht zur Nachfrage steht. Die Folge: Abertausende Lebensmittel landen tagtäglich im Müll.
Céline Ahlbrecht, Insa Meyer und Alina Saltheim führen Regie bei Just in Case und wollen zu eben diesem Thema Stellung beziehen, ohne den Zuschauenden aktiv zu belehren. Vielmehr setzen sie auf ein aussagekräftiges Setting, das im Gedächtnis bleiben soll. Auf ihrer offiziellen Website heißt es: “Wir sind der Meinung, dass jede Person den Antrieb für Veränderung selbst entwickeln muss. Just in Case ist deshalb auch in sich ein Beispiel und eine Anregung dafür, müllbewusst zu arbeiten und Materialien mehrfach wiederzuverwenden […].” Dabei beziehen sich die Filmschaffenden auf den Entstehungsprozess ihres eigenen Filmsets, welches sich zu über 90% aus Müll und verbrauchtem Werkstoff zusammensetzt. Durch ihren bemerkenswerten Arbeitsaufwand und der originellen Inszenierung wurde der Kurzfilm bereits beim Spotlightfestival gewürdigt.
In meinen Augen wird Just in Case dieser Auszeichnung auf jeden Fall gerecht; nicht zuletzt, weil trotz des ernsten Themas die Ironie nicht auf der Strecke bleibt. Der Käse wurde angeblich mit Liebe gemacht – aber wie liebevoll kann etwas sein, was von Maschinen produziert wurde? Die Filmschaffenden spielen mit unterschiedlichen Stilmitteln und haben damit ein beeindruckendes Werk kreiert, welches die Zuschauenden nachhaltig zum Nachdenken anregt.
Text: Carolin Laupitz
Dieser Film läuft in Block 4 des Wettbewerbs JUNGER FILM beim FiSH – Filmfestival im Stadthafen.