Der einsame Hirte spricht. Die weißen, gefleckten Lämmer schweigen.
„In der U-Bahn 10 Euro machen, zum Dealer fahren, Heroin holen, auf Cityklo 20 Minuten dasitzen, eben was zu essen holen, dann wieder auf die U-Bahn, 10 Euro machen, also immer eigentlich das Gleiche.“ Monologe, denen wir zuhören können, wenn wir Nicole Y. im Berliner Nahverkehr begleiten. Das Leben der jungen Frau dreht sich um die Suche nach bedingungsloser Freiheit, Geborgenheit, Sicherheit und nach den nächsten Schuss. Die Mutter eines Kindes hat einst im großen Stil Drogen verkauft. Die grausame Liebe zu ihrem gewalttätigen Mann zog sie in ein dunkles, verhängnisvolles Loch des Verderbens. Seit einem Jahr ist sie clean. Nicole ist nicht asozial, sie kommt nicht aus einen schlechten Familienhaus. Ihre Biografie und ihre persönliche Sicht auf eben diese bilden die Grundlage für eine exklusive Charakterstudie inmitten unserer erfolgsorientierten Gesellschaft, in der gefallene Engel schnell vergessen werden.
Als Point-of-View-Experiment der besonderen Art bringt der 13-minütige Kurzdokumentarfilm „Entschuldigen Sie bitte die kurze Störung“ auf den Punkt, welche schrecklichen Abgründe sich hinter grober Ignoranz und fehlender Wertschätzung verbergen. Im Stile einer „versteckten Kamera“ gelingt es dem Freiburger Regisseur David M. Lorenz, einen ungetrübten, wahren Blick über die unterschiedlichen Reaktionen der Mitmenschen zu erhaschen, denen Nicole wieder und wieder mit den gleichen Worten die Obdachlosenzeitung „Straßenfeger“ anbietet. Wie schweigende Lämmer verharren sie auf ihren Sitzen. Wir leben in einer Gesellschaft der Selbstsucht und des Eigennutzes. Verschenken tun wir ungern. Und wenn, dann nur die, die selber wenig haben, wie Nicole aus eigener Erfahrung berichtet: „Reiche Leute geben gar nichts, weil die denken, die wären etwas besseres und wir sind Abschaum.“
Mehr Informationen