15 | Interview: Jugendparlament Anklam


Wie funktioniert das Jugendparlament in Anklam, wer kann mitmachen und was sind aktuelle Projekte, die besprochen werden? Darüber sprechen wir in dieser Folge mit den Gründungsmitgliedern Domenik Thrun und Niclas Dädler vom Jugendparlament Anklam. Sie berichten von ihrem Engagement und erzählen, was sie sich für Kinder und Jugendliche wünschen.

Herzlich Willkommen in unserem Podcast Talk&Tools – der Jugendbeteiligungspodcast. Erzählt einmal kurz, wer ihr seid und welchem Jugendgremium ihr euch zuordnet.

Domenik: Ich bin Domenik Thrun, 17 Jahre alt, komme aus der Nähe von Anklam, bin jetzt im Jugendparlament von Anklam und bin dort Vorsitzender.

Niclas: Und ich bin Niclas Dädler, komme aus der Nähe von Anklam und bin Mitglied des Jugendparlaments in Anklam.

Herzlich willkommen! Bevor wir inhaltlich einsteigen habe ich ein kleines Entweder-Oder-Quiz für euch mitgebracht, worauf ihr bitte beide antwortet, was ihr lieber mögt oder eher nutzt oder wie ihr euch entscheiden würdet.

TikTok oder Instagram? Beide Instagram
Video- oder Telefonkonferenz? Telefon (Niclas) + Video (Domenik)
Email oder Messenger? Beide Messenger
Nie wieder telefonieren oder nie wieder chatten? Nie wieder chatten (Niclas) nie wieder telefonieren (Domenik)
Sprach- oder Textnachrichten? Text beide
Streamen oder Fernsehen? Beide Fernsehen
YouTube oder Twitch? Beide YouTube
Wald oder Meer? Beide Wald

Danke, dann starten wir ins inhaltliche Interview. Ihr habt beide schon erzählt, ihr kommt aus dem Jugendparlament Anklam. Was macht ihr im Gremium, was sind eure Aufgaben oder womit beschäftigt ihr euch so ?

Domenik: Genau, wir sind neun Jugendliche da bei uns in Anklam. Unsere Aufgabe ist es, die Interessen der Kinder und Jugend aus Anklam aber eben auch aus Anklam Land zu vertreten, nämlich auch für alle Schülerinnen und Schüler, die nicht in Anklam wohnen sondern aus dem Umland kommen, das sind nämlich bei uns relativ viele. Und unsere Aufgabe ist es dann, herauszufinden: was interessiert Jugend? was wünscht sich die Jugend? oder wo sind auch die Kritikpunkte? Da sind wir dann sozusagen die Stimme, die das gegenüber dem Bürgermeister und auch der Stadtvertretung kundtun und dann versuchen, nach Lösungen zu suchen auch wenn es nicht immer einfach ist.

Dominik, du hast gesagt, du bist Vorsitzender. Was heißt das?

Domenik: Genau, also im Jugendparlament, das vorweg, sind wir alle gleichberechtigt, wir haben alle eine Stimme und können alle auch reden. Für die Außendarstellung ist es aber wichtig, eine Rollenverteilung zu haben, wer Ansprechpartner ist und wer dann vielleicht auch auf Fragen durch die Presse oder von der Stadtvertretung antwortet. Da haben wir im Jugendparlament drüber geredet und dann wurde ich einstimmig zum Vorsitzenden gewählt.

Habt ihr noch andere Rollen im Jugendparlament?

Domenik: Ja haben wir. Wir haben sowohl zwei Stellvertreter, die eigentlich auch bei allen Sachen dabei sind. Und wir haben noch einen, der bei uns für Social Media zuständig ist, der macht das mit mir zusammen, Marius Denda.
Das sind so die Rollen. Und dann haben wir noch ein paar Unterrollen, einen der sich so ein bisschen um das Thema Vielfalt kümmert aber auch Themen wie Technik und die Webseite. Das ist bei uns auch noch mal aufgegliedert, so dass jeder seine Stärken auch wirklich einbringen kann, damit das große und ganze zu etwas Gutem wird.

Erzählt doch gerne mal: Wie seid ihr überhaupt zum Jugendparlament gekommen? Und warum seid ihr geblieben ?

Niclas: Ja also wir beide gehörten zu den drei Gründungsmitgliedern des Jugendparlaments oder damals der Initiative Jugendparlament und es ist eigentlich alles damals aus dem Wahlpflicht-Unterricht an unserer Schule entstanden. Unser Sozialkundelehrer hatte damals zu jeder Stunde verschiedene Lokalpolitiker eingeladen und mit denen wurden dann Gespräche geführt und irgendwann kam das Thema zur Sprache. Anklam hatte ja schon zwei- oder dreimal ein Jugendparlament, warum das denn nicht wieder so sein könnte. Und dann hatten wir mit Tony Gudath die Initiative ergriffen: Okay, wir setzen uns jetzt dafür ein, ein Jugendparlament in Anklam zu gründen. Und so ist die ganze Sache eigentlich erst ins Rollen gekommen.

Wann war das?

Niclas: Ich glaube 2017 etwa Anfang des Jahres.
Domenik: Genau 2017, Ende 2017 hatten wir so die Idee und richtig dann umgesetzt wurde es dann Anfang 2018.

Das ist ja ganz spannend. Was musstet ihr machen oder welche Schritte seid ihr gegangen, dass ihr das Jugendparlament gründen konntet?

Domenik: Also wir haben einen sehr guten Weg gewählt. Wir haben nicht so sehr auf Schnelligkeit gesetzt sondern vor allem auch darauf, das so zu machen, dass wir alle Jugendlichen mitnehmen, um auch gleich auf sehr breiten Beinen zu stehen. Wir haben uns als lockere Runde, die das Interesse hatte, so etwas aufzubauen, erst mal mehrmals getroffen. Wir haben das auch gleich so gestreut, dass möglichst viele Schüler auch von anderen Schulen dabei sind. Die Treffen waren sehr gut und wurden sehr gut angenommen und das hat uns auch gleich das Feedback gegeben: Okay, es gibt das Interesse, so etwas zu machen!

Und dann wurden halt verschiedene Schritte noch gegangen. Vieles war am Anfang sehr Gymasium-lastig, das ist teilweise immer noch so und wir haben schnell gesagt, wir müssen auch versuchen an die anderen Schulen zu kommen. Dann haben wir uns da speziell erst mal mit dem Schülerrat getroffen, um uns und das Projekt vorzustellen und dann gab es irgendwann diese konkrete Idee: Komm, jetzt müssen wir mal gucken, was braucht es, um dieses Jugendparlament auch wirklich vom rechtlichen Status zu werden. Und dafür brauchten wir einen Stadtvertreterbeschluss, dass unsere Stadtvertretung darüber ab stimmt. Dann haben wir in unserem Treffen erst mal eine Satzung erarbeitet, um dieses rechtlich sicher auch zu haben.

Und das lief alles ganz gut, wir haben uns ein Vorbild an unseren vorherigen Jugendparlamenten genommen und haben es so ein bisschen perfektioniert auf unsere Zeit. Da war noch sehr viel Altes drin. Dann hat die Stadtvertreterversammlung da sehr positiv abgestimmt bei zwei Gegenstimmen und dann wurden wir angenommen und konnten so langsam die Arbeit aufnehmen.

Was motiviert euch denn persönlich? Ihr habt gesagt, ihr habt im Sozialkundeunterricht davon erfahren. Aber was war das, was euch motiviert hat oder immer noch motiviert, euch einzusetzen und mitzumachen?

Domenik: Ja also persönlich finde ich ist es sehr wichtig, dass man sich politisch engagiert. Es ist als Jugendlicher meistens immer noch so: Politik ist dieses großes Thema. Dieses Thema, wo man sich nicht ran traut, wo man sagt „ich mach lieber was im Sportverein“, „ich treff mich lieber mit Freunden“. Und Politik bzw. sich einsetzen für andere, das ist schon cool und ich hab auch Respekt davor aber das ist nicht meins. Denkt man vielleicht erst mal so als Jugendlicher. Und mir war’s dann irgendwann wichtig: Ja ist vielleicht auch so richtig. Aber wenn man sich interessiert für Sachen und auch will, dass sich was tut, da muss man sich auch selbst dafür einsetzen. Und diese Verantwortung übernehmen. Ich habe dann eben für mich entschieden, diese Verantwortung möchte ich übernehmen.

Und dann hat es sich, wie Niclas vorhin schon gesagt hat, auch über unseren Sozialkundeunterricht entwickelt, dass wir sagen, diese Jugendmitbestimmung, die so wichtig ist, die kann man am besten umsetzen vor Ort über so einen Jugendbeirat oder Jugendparlament und so ist dann die Initiative entstanden. Das ist auch meine Motivation gewesen, weil Verantwortung ist ein ganz großes Wort für mich und ich finde es wichtig, nicht nur für sich selbst Verantwortung zu übernehmen – das ist immer der erste Schritt – und dann irgendwann zu sagen: ich möchte auch Verantwortung für andere übernehmen. Das ist immer auch mit Mut verbunden, aber ich finde, es ist sehr wichtig und es ist gut, dass wir das so erst mal geschafft haben in Anklam.

Niclas: Das, was Domenik gesagt, hat kann ich so auch nur unterstützen und da wäre noch zu ergänzen: wir beide sind auch zusätzlich noch in der Jungen Union bei uns im Vorstand. Und nun ist es nun mal so, es kann sich nicht jeder Jugendliche für die Junge Union begeistern, vielleicht weil er jetzt nicht gerade für die CDU schwärmt und das Jugendparlament sollte darauf abzielen, alle Jugendlichen in der Stadt zu erreichen, ob die jetzt in der Mitte, weiter links, weiter rechts oder sonst wo gesinnt sind.

Man muss aber auch nicht in der Partei oder Parteijugend aktiv sein, um mitzumachen sondern das geht auch unabhängig davon?

Niclas: Ja, allein das Interesse genügt.

Wenn ich jetzt in Anklam wohne oder rundherum und interessiert wäre, bei euch mitzumachen, was für Voraussetzungen muss ich mitbringen oder wie kann ich bei euch mitmachen?

Domenik: Also wichtig ist auf jeden Fall immer, Spaß dabei zu haben. Hört sich so an wie eine Phrase, ist aber wirklich das Wichtigste, Spaß mit zu bringen. Weil wenn man Spaß dabei hat, dann steckt man die anderen an, dann nimmt man sich auch die Zeit für die Sache, wenn man weiß, dass es wichtig ist und das ist, glaube ich, die Grundvoraussetzung.
So rechtlich müssten wir jetzt sagen, man bräuchte so einen Altersbereich. Also bei uns ist es so, dass man mindestens elf Jahre alt sein muss, dass man in Anklam auch eine Schule besucht und auch diesen Bezug zur Anklam hat und dann steht einer Mitgliedschaft im Jugendparlament, wenn man reingewählt wird, nichts im Weg.

Also wir wählen alle zwei Jahre. Dieses Jahr wird noch mal gewählt. Aber ich würde auch gleich noch dazu sagen: im Jugendparlament kann jeder trotzdem mitwirken. Also bei unserer Sitzung ist es jetzt nicht so, dass wenn da jemand kommt, der noch nicht Mitglied ist aber Interesse hat, dann ist es nicht so, dass er sich jetzt irgendwie in die Ecke setzen muss sondern er sitzt mit uns am Tisch, wir erzählen und essen Kekse dazu oder oder irgendwas anderes. Es ist eine total entspannte Runde und jeder, der sich einbringen möchte, kann auch sofort immer dabei sein und seine Ideen werden auch sofort gehört, wenn er bei uns dabei ist oder wenn er uns zum Beispiel auch schreibt über Social Media. Das haben wir auch, teilweise dass wir darüber sehr viel Input bekommen, wo wir dann am Ende halt die Sachen umsetzen.

Das heißt, wenn ich jetzt gerade die Wahl verpasst , muss ich nicht zwei Jahre warten sondern kann dazu kommen und mich einbringen?

Domenik: Genau, wir haben es bei uns in Anklam so geregelt, dass wir zum Beispiel Arbeitsgruppen bilden zu einzelnen Themen, die wir vielleicht politisch umsetzen wollen oder die uns einfach wichtig sind. Eine Sache ist zum Beispiel, dass wir die Schulen in Anklam ein bisschen vernetzen wollen, dass wir einfach die Schüler aller Gruppen zusammenbringen, also die Jungen auch mit den Älteren, aber auch Gymnasium mit den zwei Regionalschulen und vielleicht auch Grundschulen. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt. Und da haben wir auch Arbeitsgruppen zu und in den Arbeitsgruppen ist es wirklich egal, ob du Mitglied im Jugendparlament bist oder nicht. In den Arbeitsgruppen kann jeder teilnehmen und jeder ist genauso stimmberechtigt. Deswegen ist es, glaube ich, eine ganz gute Variante, dass jeder sich auch basisdemokratisch einbringen kann.

Du hast gerade schon ein paar Themen genannt, mit denen ihr euch beschäftigt. Gibt es gerade noch aktuelle Themenschwerpunkte oder Projekte, die ihr macht?

Domenik: Ja. Ein Punkt ist das Thema Grillplätze. Alle, die aus Anklam kommen, die wissen auch, dass es ein Thema ist, mit dem wir uns beschäftigen. Das ist bei uns schon fast ein Insider, wobei Insider passt gar nicht, weil es schon bekannt ist. Wir versuchen es seit 2018, da war das so unser erstes Thema, was uns an die Hand gegeben worden ist. Da wurde gesagt, es soll das Jugendparlament mal prüfen und jetzt gab es immer blöde Umstände, die das verhindert haben, diese Lösung zu erzielen. Aber wir sind ja ganz zuversichtlich und jetzt nach zwei Jahren sieht es auch so aus, dass wir jetzt erst mal die Abstimmung in der Stadtvertreterversammlung Anfang Juni bekommen und ich gehe jetzt einfach mal positiv dran, dass wir das dann auch umsetzen können als erstes größeres Projekt.

Es geht dann um öffentliche Grillplätze?

Domenik: Genau. Wo jedermann also für über alle Generationen hinweg, aber wir wissen ja, dass vor allem auch viele Jugendliche gerne auch mal abends sich an die Peene setzen. Unser Wunsch wäre, dass wir es am Nordufer der Peene machen und dass ich auch viele Jugendliche dort treffen können und das als Anlaufpunkt haben. Wenn dieser Grillplatz am Nordufer der Peene sich etablieren würde, wäre es definitiv auch so, dass das Stadtbild sich dadurch verschönert, weil es eben an der Peene ist und als Anlaufpunkt wirklich ein Punkt ist wo Familien sich über Generationen hinweg treffen können.

Niclas: Dazu würde ich vielleicht noch ergänzen, dass das Jugendparlament auch persönlich Interesse hat an diesen Grillplätzen, da wir aus der Tradition heraus eigentlich seit 2018 jedes Jahr am Nordufer der Peene ein kleines Grillfest mit Politikern aus MV veranstalten. Daher ist schon mehr oder weniger ein persönlicher Bezug zum Jugendparlament da.

Das ist ja völlig in Ordnung. Das ist ja häufig so, dass bestimmte Projekte aus einer erst mal persönlichen Motivation auch angeschoben werden.

Domenik: Ein ganz kleiner Einschub dazu: das Grillfest, das wir in dem Rahmen seit 2018 veranstalten, wird bei uns in Anklam als Tag der Jugendbeteiligung gesehen. […] Wir machen es deswegen, um einfach auf die Kinder- und Jugendrechte hinzuweisen und um sich im Jugendbeirat zu engagieren. Und das ist der Hintergrund, warum wir das auch jährlich machen wollen und immer Anfang Juli auch.

Ihr hab schon erzählt, dass ihr, wenn ihr zusammenarbeitet, unter anderem auch Arbeitsgruppen gründet. Nutzt ihr auch digitale Tools – schon auch vor der Corona-Zeit aber jetzt vielleicht auch durch die Corona-Zeit? Habt ihr was entdeckt oder wie arbeitet ihr zusammen?

Domenik: Uns fiel dieser Übergang zur Corona-Zeit relativ leicht, weil wir vorher schon sehr digital gearbeitet haben. Man muss sich nicht immer für jede Sitzung persönlich treffen, sondern gerade wenn man spontan mal kurz eine Meinungsrückmeldung haben möchte und auch kurz mal diskutieren möchte, kann man das natürlich über verschiedene Online-Möglichkeiten oder Online-Angebote machen. Wir haben zum Beispiel für uns Discord entdeckt. Das haben wir auch schon vorher gemacht, dass wir über Discord Telefonkonferenzen abhalten können, wo wir dann ganz schnell auch feststellen können, wer hat welchen Standpunkt, um schneller auch sich Meinung einzuholen und genau das gleiche gilt, wenn wir Beschlüsse machen.

Wir haben 2018 schon bei uns in die Satzung geschrieben, dass wir mit Umlaufbeschlussen arbeiten, das heißt, dass man auch digital arbeiten kann. Das ist ja in der Politik momentan so eine Sache gewesen, dass es überall zum Beispiel gar nicht erlaubt ist, digital abzustimmen. Aber wir hatten das schon möglich gemacht und deswegen fiel uns das relativ leicht, also wir konnten gut weiterarbeiten. Und WhatsApp oder andere Messenger sind natürlich auch immer eine ganz schnelle Möglichkeit, wo man schnell sich austauschen kann, schnell Meinungen findet und auch schnell Feedback bekommt.

Niclas: Und ich glaub auch, dass besonders hier in einer ziemlichen Kleinstadt diese digitale Arbeit von größerer Bedeutung ist als zum Beispiel in der Großstadt, weil wenn wir uns jetzt zu einer Sitzung treffen wollen, ist auch immer wieder die Frage, wie komme ich jetzt vom Dorf in die Stadt, weil bei uns ungefähr nur alle 3 Stunden ein Bus fährt und dann muss man sich immer die Frage stellen, ob es sich jetzt lohnt für die kurze Zeit nach Anklam zu fahren, wenn man eventuell auch gar nicht mehr zurück kommt. Also die digitale Lösung ist bei uns schon bald die beste.

Okay das ist spannend! Das heißt, das werdet ihr auch wenn man sich wieder in größeren Gruppen oder regelmäßiger treffen kann beibehalten?

Domenik: Ja, grundsätzlich wollen wir vielleicht sogar noch mehr über Discord arbeiten. Wir haben ja einen Rhythmus, wo wir uns immer treffen. Das sind ungefähr drei Wochen. Wenn wir zum Beispiel jetzt über die Sommerferien so eine Zeit haben, wo wir eigentlich gar nicht so viel haben, worüber wir reden können, dann ist es gut, dass man es nicht ausfallen lässt. Aber dann ist es vielleicht effektiver, wenn wir sagen: okay, wir treffen uns eine halbe Stunde mal und schnacken dann einfach per Telefon als dass wir uns dann persönlich treffen.

Seht ihr Schwierigkeiten oder Hürden in eurer Arbeit als Jugendparlament?

Domenik: Also allgemein ist es eine Hürde, dass wir – und das ist mir jetzt aufgefallen – wenn man so ein bisschen politisch was machen wollte, natürlich nur dieses Jugendparlament ist. Man ist dieser Beirat. Wir können Ideen einbringen, die sicherlich auch sehr vielen Jugendlichen gefallen.
Aber diese politische Umsetzung, die aufgrund von ganz verschiedenen Punkten und Argumenten dann öfter mal gescheitert ist, das ist auf jeden Fall so ein Punkt, dass wir uns wünschen würden: die Jugendlichen brauchen noch dieses Fünkchen mehr Ansporn auch zu wissen „Ey, wir können direkt was verändern!“

Ein Punkt, der mir da speziell einfällt, um das zu präzisieren: es gibt in MV leider noch kein Jugendbeteiligungsgesetz oder Jugendmitwirkungsgesetz. Das gibt es zum Beispiel für Senioren. Und ich weiß, dass es da eine Initiative momentan in MV gibt, wo ich auch selber mit dabei bin, die ich sehr wichtig finde. Wenn wir da nämlich durchbringen könnten, dass Jugendparlamente und Jugendbeiräte Anträge einbringen können, dann ist es glaube ich schon mal sehr gut und dann ist viel gewonnen, weil dann können die Jugendlichen direkt ihre Vorstellungen einbringen ohne das über eine Verwaltung kompliziert und sehr bürokratisch zu machen oder eben über eine einzelne Fraktion zu machen. Weil, was immer ganz wichtig ist, nicht nur bei uns sondern auch bei anderen Jungendbeiräten: wir wollen Parteipolitisch unabhängig sein und wir sind parteipolitisch unabhängig. Und wenn wir dann Projektevorschläge haben, wo wir dann aber wissen, da steht jetzt eher die Parteifraktion hinter oder die, aber wir wollen das jetzt trotzdem zur Abstimmung bringen, dann ist häufig der einfachste Weg: wir müssen es über die Partei einbringen. Das haben wir noch nicht so gemacht, aber das wäre ein Weg, damit es überhaupt zur Abstimmung kommt. Und das ist halt total schade, weil das uns natürlich auch so ein bisschen untergräbt.

Ein großer Punkt ist auf jeden Fall das Antragsrecht. Bei uns in Anklam ist es so, wir haben das Rederecht. Wir dürften zu jedem Thema, das Jugend auch direkt betrifft, sprechen und das ist glaub ich auch schon mal sehr gut. Und wenn wir jetzt durch das Jugendmitwirkungsgesetz es noch schaffen, dass Jugendparlamente und Jugendbeiräte antragsberechtigt sind, ist glaube ich sehr viel schon mal gewonnen.

Wenn du sagst ihr habt Rederecht zu den Jugendthemen – entscheidet ihr, was relevant ist an Jugendthemen oder wird euch für bestimmte Themen ein Rederecht erteilt?

Domenik: Die Frage habe ich mir auch oft gestellt. Das ist, glaub ich, auch nicht ganz klar definiert, also auch in unserer Satzung ist es nicht. Da gibt es, glaube ich, einen Interpretationsspielraum. Ich glaube, wenn man das gut verkauft – und wir können gut argumentieren – kann man sicherlich zu jedem Thema sprechen, wenn wir das wollen. Und in den Ausschüssen ist es sowieso immer möglich aber gerade in so einer Stadtvertreterversammlung, wo man weiß da gucken gerade alle zu, dann will man vielleicht auch seine Meinung noch mal persönlich sagen als Jugendgremium und das ist momentan teilweise nur schwierig möglich. Also wir hatten damit jetzt eigentlich noch keine Probleme. Natürlich wissen wir auch, dass es, wenn es um den Hafen geht, vielleicht jetzt nicht Jugendthema Nummer eins ist. Aber das ist so ein Beispiel, wo man sagt, da würden wir ja manchmal gerne auch sprechen. Und das ist auf jeden Fall Interpretationssache. Also wir hatten den Fall noch nicht, aber es könnte sicherlich auch so sein, dass man sagt „ihr dürft das nicht, weil das betrifft euch nicht“.

Wie finanziert ihr euch? Habt ihr ein eigenes Budget zur Verfügung oder womit kauft ihr eure Kekse für eure Sitzungen?

Domenik: Bei uns läuft es so (da bin ich eigentlich auch ganz glücklich drüber) : es gibt ja in Deutschland und auch bei uns im MV das Projekt Demokratie Leben, die uns Geld zur Verfügung stellen. Das ist ja extra ein Förderprogramm, was Jugendbeiräten oder auch anderen vor allen sozialen und gesellschaftlichen Projekten Geld zur Verfügung stellt, ein Jahresbudget. Das Geld ist bei uns auch ganz genau aufgeteilt, d.h. wir haben ganz klare Richtlinien, für was wir wie viel Geld im Jahr ausgeben. Und das sind bei uns in Anklam 10.000 €. Das ist, glaube ich, eine sehr stattliche Summe, wo sich auch keiner drüber beschweren kann und das wissen wir auch sehr zu schätzen.

Es ist eine gute Möglichkeit natürlich um Projekte zu fördern. Bei uns ist es so, dass wir ein Drittel unseres Geldes für die Vereine direkt raus geben. D.h. Vereine können bei uns Anträge stellen, die eben Jugend Politik nahebringen oder allgemein gesellschaftliches Engagement und wenn das bei uns förderfähig ist – und die meisten Sachen sind förderfähig, wenn man das so auslegen kann – dann sind wir immer sehr froh, wenn wir unser Geld zur Verfügung stellen können. Das haben wir uns auch schon für verschiedene Vereine gemacht und das ist eine gute Möglichkeit, dass wir auch eine Präsenz haben und zeigen, wir haben auch Geld, was wir für die Vereine ausgeben können und wollen.

Dann haben wir auch noch ein Budget, wo wir sagen, das brauchen wir für unsere Arbeit, ob das jetzt technische Ausstattung ist das ist ein ganz großer Punkt zwecks Öffentlichkeitsarbeit, aber eben auch um an Seminaren oder Fortbildungen teilzunehmen. Wenn man sagt, man fährt als Gremium für ein Wochenende weg, dafür ist auch ein Budget zur Verfügung.
Und dann als Ergänzung haben es wir in diesem Jahr auch zum ersten Mal, dass unsere Stadtvertretung zusätzlich ein Jahresbudget von 500 Euro uns zur Verfügung stellt. Die sind dann flexibel einsetzbar d.h. das Geld können wir nutzen, wie wir das gerade für angemessen halten. Weil wir in diesem Jahr Wahlen haben, wollen wir das für die Wahlen benutzen.

Wie organisiert ihr eure Wahlen? Wird an den Schuhen gewählt oder in Stadtteilen oder wie kann man dann wählen? Wisst ihr das schon?

Domenik: Wir wollen es so machen, wie wir das 2018 gemacht haben. Wir überlegen dabei trotzdem noch, an den Wahlen ein bisschen was zu ändern. Was mir wichtig ist, das war mir damals schon wichtig, ist, dass wir als Jugendparlament breit aufgestellt sind. Und eben nicht so eine Art Schülerrat haben, weil alle Mitglieder von einer Schule sind, sondern dass wir wirklich auch von jeder Schule sicher Personen im Jugendparlament haben. Das ist mir sehr wichtig, deswegen überlege ich, ob wir die Wahl nicht noch ein mal ein bisschen verändern können, dass wir zum Beispiel sagen, jede Schule hat einen festen Sitz und derjenige, der die meisten Stimmen an einer Schule holt, bekommt dann auch einen Sitz im Jugendparlament, damit jede Schule auf jeden Fall vertreten ist. Das macht die Arbeit des Jugendparlaments eben langfristig nachhaltiger um eben zu sagen wir stehen in allen Schulen gut da.

Ansonsten läuft es so, dass jede Schule Wahlurnen hat, das hatten wir auch 2018 so und dann haben wir eine Wahlphase von drei Tagen, wo jeder dann abstimmen kann. Das läuft in guter Zusammenarbeit mit den Schulsozialarbeiterinnen vor Ort an den Schulen. Und an Jugendeinrichtungen wie zum Beispiel beim ASB Mühlentreff aber auch beim ASB Gesundbrunnen aber auch natürlich dem Demokratiebahnhof waren dann Urnen aufgestellt, wo man dann wählen gehen konnte als Jugendliche, die vielleicht diesen Anklam-Bezug haben aber vielleicht nicht mehr in eine Schule gehen.

Wie schätzt ihr für euch die Zusammenarbeit mit Politik und Verwaltung in eurer Stadt ein?

Niclas: Man kann schon sagen, prinzipiell kooperieren Stadtverwaltung und Stadtvertreter schon gerne mit uns und geben auf Nachfragen oft sehr schnell Antworten. Die meisten Stadtvertreter unterstützen auch das Jugendparlament. Es gibt natürlich immer wieder auch ab und zu auch Ausnahmen, wo die Kooperation nicht ganz so gut klappt, aber in der Regel funktioniert das in Anklam doch schon ziemlich gut.

Domenik: An dieser Stelle auch ein Danke an die Verwaltung und an unseren Bürgermeister, weil ich weiß, dass unser Bürgermeister uns da auch sehr aktiv unterstützt und es gibt durchaus Möglichkeiten, dass man uns hätte Steine in den Weg legen können und ich sehe das wirklich so, dass unser Bürgermeister da sehr hinterher ist und es eben nicht tut und uns jetzt auch bei jeder Aktion auch miteinbezieht, bei Einweihungen oder auch beim Spartenstichen. Das sind so Kleinigkeiten, aber das ist auch sehr cool, wenn man da als Jugendparlament Präsenz zeigen kann und ansonsten hat Niclas auch total recht. Es ist so, dass wir themenspezifisch mit manchen Fraktionen manchmal besser zusammenarbeiten können und mit manchen manchmal weniger, aber das kommt aufs Thema an und das ist diese Art von Politik, die wir dann eben auch sind.

Was wünscht ihr euch vielleicht ganz allgemein oder ganz speziell für Kinder- und Jugendparlamente oder -beiräte?

Domenik: Also ich wünsche mir ein Jugendmitwirkungsgesetz. Ich finde, Kinderrechte und auch die Rechte von Jugendlichen, in solchen Beiräten sich zu organisieren aber wirklich auch was in der Hand zu haben, also nicht nur als lockeres Gremium da zu stehen, … Das ist mir manchmal noch bei uns aufgefallen, dass man oft sagt „Ich finde es toll, dass es euch gibt. Ich finde toll, dass ihr da seid. Aber so richtig mitentscheiden könnt ihr dann auch nicht. Ihr seid mehr oder weniger (um es mal ganz flapsig zu sagen) Deko, die jetzt schön aussieht aber vielleicht nicht so wirklich was bewirken kann.“ Da würde ich mir noch ein bisschen mehr wünschen, dass man noch ein bisschen mehr einbezogen wird. Natürlich unter den rechtlichen Bestimmungen, die möglich sind, aber ein bisschen mehr ist, glaube ich, noch drin.

Es heißt oft, Jugendliche seien politikverdrossen. Ich bin einer der größten Kritiker, was diese Aussagen angeht, weil ich im täglichen Alltag in der Schule mitbekomme, Jugendliche sind nicht politikverdrossen. Sicherlich gibt es auch Ausnahmen aber der Großteil ist wirklich interessiert und der Großteil ist in der Lage, sich eine Meinung zu bilden. Aber wenn man eben die Jugendlichen nicht hört, konsequent ignoriert oder auch die Meinung teilweise unterdrückt, dann ist es wirklich auch nachvollziehbar, dass Jugendliche sagen „ich will mit der Politik nichts zu tun haben“. Und so entsteht dann Politikverdrossenheit.

Niclas: Ich kann auch nur noch sagen, die Einbindung der Jugendparlamente. Wenn es sie denn gibt, sie auch stärker in die Politik, in die Stadtpolitik mit einzubeziehen. Wenn wir mal bei den Seniorenbeiräten gucken, so wie ich das bei uns in Anklam jetzt mitgekriegt habe, haben die doch schon so eine gewisse Macht, die sie auch einsetzen können. Und vielleicht die Jugendparlamente ungefähr diesen Seniorenbeiräten gleich zu setzen, dass beide – da sie ja in gewissermaßen das gleiche sind nur mit den Altersunterschieden – dass sie beide die gleiche Macht hätten, mitzuentscheiden, Empfehlungen zu geben oder sonstiges.

Gibt es darüber hinaus was, was ihr euch wünscht oder gerne sehen würdet für Kinder und Jugendliche allgemein?

Domenik: Also ich wünsche mir auf jeden Fall, dass die jugendpolitischen Themen mehr im Fokus stehen. Oft ist es so, das liegt natürlich auch am demographischen Wandel, dass vor allem die Themen, die jetzt die ältere Bevölkerung mehr betreffen, mehr im Mittelpunkt stehen.
Ich finde sowas wie nachhaltige Wirtschaft aber auch das Thema Digitalisierung sicherlich sehr wichtig, weil eben das sind die Themen, womit unsere Jugend dann am Ende zu kämpfen hat. Das sind die Probleme. Man weiß ja jetzt schon als Jugendlicher, wenn man sich so ein bisschen dafür interessiert, was kommt auf uns später zu. Da zähl ich jetzt auch mal – um jetzt mal richtig politisch zu werden – das Thema Schuldenabbau dazu. Das sind alles so Themen, die für die Jugendlichen später relevant sind und ich finde es wichtig, dass die jugendpolitischen Themen nicht vergessen werden.

Niclas: Ich würde das jetzt genauso sagen wie Dominik.

Dann bin ich jetzt mit meine Fragen durch. Gibt es noch etwas darüber hinaus, was ihr noch erzählen oder loswerden möchtet? Dann ist das jetzt die Möglichkeit.

Domenik: Dann würde ich die auch einmal noch nutzen. Was ich immer sehr gerne sage und auch immer sehr gerne mache: ich möchte eigentlich jeden Jugendlichen, die jetzt vielleicht auch zuhören einfach bitten und auch daran appellieren, zu sagen „Ey, Verantwortung ist ein großes Wort, das ist auch ein großes Feld aber ich bin bereit das zu übernehmen.“ Weil gerade in so Jugendbeiräten, die es ja nicht nur in Anklam gibt, sondern in ganz ganz vielen Standorten in MV und ich weiß auch, dass immer mehr sich gerade aufbauen, ist es nicht so, dass es irgendwie diese langweilige Politik ist und die Sitzung sind so öde uns macht alles kein Spaß. Sondern es ist bei uns wirklich so: 50 % sind nur Spaß und ich sag mal 50 % ist … ich nenne es mal Arbeiten, aber dieses total lockere. Und es macht halt wirklich Spaß. Bringt diesen Spaß mit und dann ist Engagement was total schönes, also sich zu engagieren, sich mit Leuten zu treffen, die sich interessieren und dann was zusammen zu machen, diesen Austausch mit Jugendlichen zu suchen. Es gibt für mich eigentlich kaum was schöneres.

Niclas: Genau! Ich finde auch, wenn sich schon einige Jugendliche – da bildet Anklam eine kleine Besonderheit, da meistens sehr Jungbeiräte von den Stadtvertretern gegründet wurden aber unseres wurde eben von einer Initiative der Jugendlichen gegründet … also wenn es schon so etwas gibt, Jugendliche die Chance nutzen sollten, sich einzubringen! Es gibt immer noch genug Städte, auch große Städte, wo es bis heute nicht nicht der Fall ist, das Jugendliche überhaupt die Chance oder Möglichkeit bekommen.

Super! Es ist ja auch eine Idee mit diesem Podcast und auch mit den Interviews mit euch und den verschiedenen Kinder- und Jugendgremien zu zeigen, was es für Möglichkeiten gibt. Es sind ja auch nicht alle gleich aufgestellt. Einige Probleme und Herausforderungen oder was ihr so machen könnt ist ganz ähnlich, aber auch da ein bisschen Inspiration zu geben und vielleicht auch Mut zu machen für die die jetzt anfangen wollen und auch Mut zu machen für Politik und Verwaltung aber auch für Kinder und Jugendliche.

Dann danke ich euch, dass ihr bei uns im Podcast dabei wart und für euer Engagement und hoffe, dass ihr gesund bleibt und eine gute Woche habt!


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Beitrag vom 15. Juni 2020