In dieser Folge ist Katha ist im Gespräch mit Matthias von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung aus dem Projekt jugend.beteiligen.jetzt.
Während des #OERcamp|s in Hamburg im Februar 2020 haben Katha und Matthias zwei Folgen aufgenommen. Das erste Interview, dass Matthias mit Katha geführt hat, ist bei jugend.beteiligen.jetzt auf dem Podcastblog erschienen. Jetzt gibt es die zweite Folge des Interviews bei uns.
Wir waren auf dem #OERcamp und haben unsere eigene Session zum Podcastaufnehmen genutzt.
K: Matthias, wann wurdest du das erste Mal beteiligt?
M: Das ist auf jeden Fall etwas, wo früher Beteiligung nicht drauf stand. Das ist erst im Nachklapp beim drüber nachdenken klar geworden, wo ich meine ersten Kontakte zum Internet hatte und was das so genau war, also inhaltlich.
Ich komme ursprünglich aus Krefeld, am Niederrhein. Da habe ich in einer Schülerband Musik gemacht. Es gab eine Szene, die hat sich in einem Forum, in dem Fall, dem Rock-Gig-Forum getroffen. Da tummelten sich viele Jugendliche und junge Erwachsene, die auch Musik gemacht haben, sich dort vernetzt und auch übers Internet gemeinsam Musik gemacht haben. Es haben sich Bands formiert. Es wurde sich ausgetauscht und Konzerte zusammen organisiert. Also Beteiligung mit dem Interessenschwerpunkt Rockmusik, die damals angesagt war.
Erst später ist mir aufgefallen, dass das alles organisiert wurde von einem Jugendzentrum in Tönisvorst, dem Palm-Beach-Club. Dort gab es einen Sozialpädagogen, der das alles ins Leben gerufen hat. Der hat dort Übungsräume zur Verfügung gestellt. Es gab eine Konzertbühne. Die Jugendlichen haben gelernt wie man mischt und Sound und Aufnahmen macht. Und er hat eben das Potential auch erkannt, die Leute am kompletten Niederrhein miteinander zu vernetzen. Ich war dort sehr aktiv. Ich glaube ohne diesen Sozialpädagogen und das Internet, hätte ich ganz viele Leute nicht kennen gelernt und mit denen dann Musik gemacht. Puristen würden sagen, das ist noch keine richtige Beteiligung. Ich finde aber Selbstwirksamkeitserfahrungen, die muss man auch machen, um sich später zu beteiligen. Das ist ja auch ein qualitativer Lernprozess.
K: Man muss ja irgendwo anfangen und gefragt werden. Dass, Leute auch darauf Wert legen, dass du eine Antwort geben kannst, ist ja auch ein erster wichtiger Schritt. Das ist leider eine Erfahrung, die viele Kinder und Jugendliche auch heute noch nicht immer machen.
M: Ich muss dazu sagen, dass es in der Schule richtig scheiße lief damals. Ich hatte da gar keine Anknüpfungspunkte meine Interessen auszuleben. Das war außerschulische Bildung, ohne dass da Bildung drauf stand.
K: Es muss ja auch gar nicht so gelabelt sein und vor allem nicht für die Zielgruppe, für die es eigentlich gemacht ist. Wenn Schule nicht so gut läuft oder für viele auch ein schwieriger Ort ist, dann ist es ja auch schwierig junge Menschen für außerschulische Bildung, Jugendverbände etc. zu motivieren, wenn wir es immer groß mit Demokratie und Bildung labeln. Das müssen wir für unsere eigenen Unterlagen und unseren Arbeitsreflexion machen. Das ist ok. Für die Jugendlichen muss das nicht drauf stehen.
Mittlerweile arbeitest du für die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung im Projekt jugend.beteiligen.jetzt. Was ist denn jugend.beteiligen.jetzt?
M: jugend.beteiligen.jetzt – für die Praxis digitaler Partizipation, ist einem Kooperationsprojekt der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, dem Deutschen Bundesjugendring und der IJAB (Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V.). Gestartet ist das Projekt 2016. Wir sind auf unterschiedlichen Handlungsfeldern aktiv.
Es ist so, dass wir Multiplikator*innen qualifizieren wollen im gesamten Bundesgebiet. Das sind Leute aus Verwaltung, Jugendsozialarbeiter*innen und Menschen, die sich in irgendeiner Form mit der Beteiligung von Jugendlichen befassen. In den Bundesländern gibt es ja unterschiedliche Gesetzesnovellen. In manchen Bundesländern müssen sich Verwaltungsmitarbeiter*innen und Jugendarbeiter*innen mit Beteiligung beschäftigen. Kinder und Jugendliche müssen an Dingen, die sie betreffen beteiligt werden. Und da es ja so ist, dass fast 100% der Jugendliche ein Smartphone in der Tasche haben und nicht mehr zwingend im Rathaus vorbei kommen um an die Pinnwand zu gucken, ob da was für sie hängt, müssen sich diese Mitarbeitenden vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben damit beschäftigen wie sie Jugendliche digital erreichen können. Da qualifizieren wir, machen Workshops, halten Vorträge bei Fachveranstaltungen.
Wir haben Material entwickelt in den letzten Jahren, z.B. ein Curriculum zur Qualifizierung von Mitarbeitenden. Das haben wir unter einer Creative Commons Lizenz veröffentlicht auf unserer Plattform. Man kann es sich komplett runterladen und eigene Qualifizierungen in den eigenen Bundesländern oder Kommunen durchführen. Dieses Curriculum wurde mit nem Partner zusammen entwickelt, mit WeTeK in Berlin. Diese Qualifizierung wurde dann auch in unterschiedlichen Bundesländern danach angeboten. Darüber hinaus sind wir auf Fachveranstaltungen einfach auch so aktiv, wie hier jetzt beim OERcamp, und vernetzen uns und schauen wie wir andere Fachveranstaltungen an Land ziehen und noch mehr Menschen erreichen mit unseren Themen. Dann haben wir ein Qualifizierungsnetzwerk, über das wir uns ja auch kennengelernt haben. Da sitzen aus allen Bundesländern Menschen, die sich mit digitaler Jugendbeteiligung beschäftigen und tauschen sich aus über Qualifizierungen, die in den Bundesländern laufen, über die Arbeit, die sie gerade machen, bringen Fragen mit aus den Bundesländern. Man schaut sich neue Tools und Methoden an und tauscht sich aus und bleibt so in Kontakt. Die Themen werden dann im Idealfall wieder ins eigene Bundesland zurückgespielt.
Unser Partner, der Deutsche Bundesjugendring, entwickelt gewisse Open-Source Tools weiter. Mit am bekanntesten ist, wir sind ja auf einem Barcamp, der Camper barcamptool, womit man Teilnehmendenverwaltung und Veranstaltungsmanagement für ein Barcamp durchführen kann. Wird häufig benutzt. Und das etherpad. Auf diesen Feldern, sind wir aktiv. Wir laufen jetzt noch bis Ende 2020 und dann schauen wir mal wie es weiter geht.
K: Ich kann auf jeden Fall sagen, dass das Qualifizierungsnetzwerk, in dem ich ja auch für Mecklenburg-Vorpommern sitze, sehr hilfreich war. Es ist eben genau der Austausch mit anderen Menschen aus anderen Bundesländern, die sich mit Kinder- und Jugendbeteiligung beschäftigen, aber eben auch Menschen aus der medienpädagogischen Schiene, die mit nem Beteiligungsblick drauf gucken. So nimmt man immer Sachen mit, sieht gemeinsame Hürden, aber eben gemeinsam auch schaut, wo wir Dinge anders machen können. Die Qualifizierungsreihe, die erarbeitet wurde, wurde ja auch immer wieder ins Qualifizierungsnetzwerk zurück gespielt. Das wird auch die Grundlage sein für die Weiterbildung, die wir in Mecklenburg-Vorpommern in Schabernack ab diesen Herbst 2020 anbieten werden. Das nehmen wir als Grundlage und gucken, wie wir das mit unseren spezifischen Anforderungen oder Bedürfnissen der Teilnehmenden dann nutzen können. Dafür ist es super, dass sowas auch gemeinsam entwickelt wird. Es muss ja nicht jede*r das Rad neu erfinden. Gerade wenn wir über digitale Tools und das Internet sprechen, sind ja die Zugänge da.
M: Genau, drauf schauen, was braucht man selber? Was kann ich benutzen? Was kann ich dem hinzufügen? Und das im Idealfall dann auch wieder zurückspielen. Das ist ja schon ein Wert von Beteiligung und Digitalisierung an sich. Dieses kollaborative Arbeiten an solchen Geschichten und nicht, dass jedes Land oder jede Kommune ihr eigenes Süppchen kocht, wie z.B. wir brauchen jetzt ne eigene App oder so.
K: Ja, bitte lasst uns noch eine Beteiligungsapp entwickeln… Zum Qualifizierungsnetzwerk fällt mir gerade noch ein, man kann ja auch mit ner Idee kommen. Ich hab hier ne neue Beteiligungsapp entdeckt oder ich hab hier ein neues Tool mit anderen Leuten ausprobiert. Kann ich das mit euch auch mal machen. Das ist ein relativ cooler Raum mit Fachkräften, die nicht alle gleich digital affin sind und nicht alle auf dem selben Level Beteiligung können, aber wollen viele Sachen gemeinsam ausprobieren. Entweder gemeinsam scheitern oder gemeinsam auch ein neues Lieblingstool entdecken. Das finde ich total schön, dass man da auch wirklich die ganz banalen simpelsten und auch die kompliziertesten Fragen stellen kann und wir die alle ernsthaft diskutieren können.
M: Oder eben auch, das hat überhaupt nicht funktioniert. Meine Jugendlichen haben das z.B. auseinander genommen. Benedikt Reusch aus Baden-Württemberg hatte da an der Plattform tricider nicht so viel Spaß mit seinen Jugendlichen. Aber dann ist es auch interessant zu hören, warum denn.
K: Der Hauptknackpunkt, der ja stimmt, war, dass es einfach nicht mobilfähig und responsiv ist. Wenn wir sagen, fast alle Jugendlichen haben ein Smartphone in der Tasche, und es ist ja so leicht das auch zu nutzen, dann muss es dafür aber auch nutzbar sein. Jegliches Tool, das programmiert wird und genutzt werden will, kann noch so gute Funktionen haben. Bei Tricider kann man Ideen sammeln, Pro und Kontra sammeln, abstimmen. Das sind gute Ideen. Sie funktioniert aber technisch gerade nicht einwandfrei für unterwegs.
M: Da müssten Programmer*innen mal mit User-Interface-Designer*innen zusammenkommen. Das finde ich bei ganz vielen Sachen so. Das ist nicht nur bei den Jugendlichen so, sondern auch in den Qualifizierungsworkshops, die ich mit Multiplikator*innen mache. Wenn ich sage, bringt eure eigenen Geräte mit, dann kommen die auch alle mit ihren Smartphones. Und ein etherpad ist dann ein Graus auf dem Smartphone, finde ich. Es ist nicht responsiv. Wir wollen das jetzt aber auch nicht schlecht machen. Man muss gucken, welches Tool, setze ich wofür genau ein. Es hat aber hin und wieder seine Fallstricke. Dann muss man manchmal auf kommerziellere Dinge zurück greifen.
K: Was macht für dich denn ein gutes Beteiligungstool aus?
M: Responsiv, heutzutage schon. Aber erstmal gucke ich mir nicht das Tool an und passe, dass was ich machen will dem Tool an. Ich schaue mir natürlich meinen Prozess und meine Zielgruppe an, immer. Ich überlege mir, was mache ich in meinem Workshop? Was mache ich in meinem Projekt? Was mache ich in meiner Unterrichtseinheit? Das Tool muss das unterstützen. Oft sind die Tools gute Beteiligungstools, die mobil gut funktionieren, die einfach verständlich sind und einen tatsächlichen Mehrwert liefern. Ein Dauerbrenner ist ja z.B. padlet. Das funktioniert auf Tablets einigermaßen gut. Das ist von der Interaktion mit der App eigentlich gelungen. Zum Beispiel könnte ich mit einer bestimmten Jugendgruppe, die 12/13 ist, nicht mit einem etherpad arbeiten, weil das vielleicht zu textbasiert ist. Das funktioniert aber mit nerdigeren jungen Erwachsenen ganz gut, die eben in der Schrift ganz gut sind. Deswegen ist das nicht so einfach zu beantworten. Ich finde bei Padlet ganz gut, dass man Youtube Videos einbinden kann durch einen Link. Man kann Bilder einsetzen. Man kann unterschiedlichem Ausdruck von Medienhandeln dadurch gerecht werden. Deswegen muss man die Frage umkehren eigentlich.
K: Ihr macht ja auch Workshop zum Thema digitale Jugendbeteiligung. Was ist das, was du am häufigsten erklären musst?
M: Das sind unterschiedliche Aussagen. Das sind so zwei bis drei Klassiker. Das eine ist: „Wir nehmen die Digitalisierung viel zu ernst.“ „Die Jugendlichen hängen sowieso schon die ganze Zeit am Smartphone. Dann müssen die doch nicht noch die ganze Zeit digitale Beteiligung machen.“ Das finde ich halt schwierig. Das eine schließt das andere nicht aus. Ich brauche unbedingt in der haptischen Welt, ich will nicht reale Welt sagen, weil das was auch im Internet passiert, ist ja real. Handys sind real. Die werden von Menschen gebaut. Kabel, die verlegt wurden, sind real und auch das Gefühl, wenn mir jemand einen Daumen runter gibt oder einen Daumen hoch, passieren da Prozesse, die real sind. Für mich als Medienpädagoge ist wichtig, dass ich mir anschaue, wie sieht das Medienhandeln meiner Zielgruppe aus. Und wenn die Lebenswelt von Jugendlichen eben momentan so ist, dass das Internet und Social Media eine große Rolle spielen, dann muss ich sie eben dort abholen. Ich kann nicht so tun als wenn das nicht Teil der Lebenswelt sei. Das ist für mich eine Verklärung.
K: Viel muss auch noch mit der Skepsis der Arbeit mit digitalen Medien gegenüber aufgeräumt werden?
M: Hin und wieder, tatsächlich ja. Aber erstaunlich wenig. Viele sind eher, so dass sie sich damit noch nicht beschäftigt haben und das eigene Interesse da nicht so ist. Das ist aber bei den Jugendlichen da und deshalb müssen sie sich jetzt damit beschäftigen. Das ist eher der Punkt. Aber wenn es dann so kommt, dann ist die Sache. Früher hatte ich in klassischen medienpädagogischen Workshops, eher nicht wo es um Jugendbeteiligung geht, hat man ne Vorstellungsrunde gemacht. Dort soll man sich mit drei Hashtags oder Schlagworten vorstellen und dann gibt es immer Leute, die sagen „Ich kann ich noch richtig unterhalten. Ich lesen noch Bücher.“ Es gibt dann großes Gelächter aus dem Workshop. Dann sage ich, ich auch. Die anderen unterhalten sich nicht richtig, oder was willst du uns damit mitteilen? Das Verständnis, was Internet kann, ist dann häufig nicht da.
Was auch ein paar Mal in den Workshops gehört habe ist: „Das ist jetzt aber noch keine Beteiligung.“ Beteiligung ist dann nur, wenn Prozesse in Gang gesetzt werden, wo dann tatsächlich was passiert.
K: Wo es Entscheidungsmöglichkeiten gibt und Entscheidungsfreiräume, die aufgemacht werden für die Menschen, die beteiligt werden. Wenn ich nur abfrage,k welche Farbe findet ihr für den Raum schöner und am Ende entscheiden es sowieso die Sozialpädagog*innen oder Verwaltung oder Leitung vom Jugendclub, dann hätte ich mir das Fragen auch klemmen können. Dann ist es auch negativ für alles, was wir in Zukunft machen wollen. Wir müssen dann negative Beteiligungserfahrungen, die Kinder und Jugendliche machen auch wieder ausräumen.
Ich kann mich auch an verschiedenste Beteiligungsprojekte und Moderationen erinnern, wo wir den Auftrag bekommen haben. Wir sind in die Gruppen gegangen, haben ganz tolle Sachen erarbeitet und man merkt dann so im Laufe des Tages, dass die Jugendlichen schon Bock haben und coole Ideen. Es gibt dann aber auch sowas, als wären sie gebremst in ihrem Enthusiasmus. Im Gespräch findet man dann heraus, dass vor zwei Jahren schon Mal Leute da waren und gefragt haben, was wollen wir eigentlich hier an der Schule im Ganztagsbereich ändern und machen. Umgesetzt wurde dann davon aber gar nichts. Dann verstehe ich auch, warum die Jugendlichen zwar coole Ideen haben, aber so verhalten sind daran zu arbeiten, wie es umgesetzt werden kann. Sie haben ja eben auch die Erfahrung gemacht, dass die anderen Erwachsenen sich darüber freuen, aber es wird eben nicht weiter darüber kommuniziert und umgesetzt. Das ist richtig schade.
M: Ich muss nochmal zurück gehen. Aber diese Aussage „Das ist noch keine Beteiligung“, ist aber auch oft ein Missverständnis über mein Verständnis von digitaler Jugendbeteiligung. Die Vorstellung von Tools ist eigentliche eingebettet in Argumenten, dass man sich den Prozess anschauen muss. Man muss sich seine Zielgruppe anschauen. Das wird dann aber ausgeblendet, wenn ich ein Tool vorstelle. Das ist dann zum Beispiel kahoot. womit man Quizze machen kann. Man kann aber auch Abstimmungen damit machen. Natürlich muss ich mir einen kompletten Prozess angucken, wenn ich da mit meiner Beteiligung erst meine. Es muss eine ordentlicher langfristiger Prozess sein. Und nur weil ich jetzt ein Abstimmungstool nutze um die Handys der Jugendlichen auch mitzubenutzen, sagt das noch nichts über einen guten Beteiligungsprozess aus. Da muss ich nicht son bisschen der digitale Apostel sein, der das total propagiert, sondern muss sagen, dass mir die Prozesse schon wichtig sind. Man muss das sowohl als auch immer sehen.
K: Da finde ich mich total drin wieder. Ich muss mich auch oft entscheiden, was erkläre ich jetzt gerade. Bei dem Zeitumfang, den wir oft haben, haben wir nicht einen ganzen Tag oder zwei Tage lang Workshop. Ihr bekommt bestimmt auch so Anfragen für 60 oder 90 Minuten. Dann muss ich son bisschen gucken, worauf lege ich meinen Schwerpunkt. Ich erkläre, was bedeutet Kinder- und Jugendbeteiligung für mich und mache dann oft einen Tool-Blumenstrauß auf um Möglichkeiten dazustellen, die es gibt. Wenn dann Leute rausgehen und dann ein Tool nutzen um mal ne Abfrage zu machen, dann ist das auch gut. Dann ist das ein erster Schritt. Dann steht da noch nicht Jugendbeteiligung drunter. Aber es ist ein wichtiger Schritt das auszuprobieren. In meiner Erfahrungen gehen auch Fachkräfte aus solchen Weiterbildungen und probieren solche Sachen zuerst in ihrem Team aus, kollaboratives Arbeiten, gemeinsam an einem Text schreiben oder Abstimmungen zu machen. Sie wollen sicherer werden mit den Tools und wollen das dann eben erst in ihrem Team machen und erst im nächsten Schritt mit den Jugendlichen. Das ist ja völlig ok.
Gleichzeitig finde ich es auch spannend, wenn dann dieser Vorwurf kommt, dass es noch keine richtige Beteiligung ist, weil wir jetzt digitale Tools promoten. Wenn ich jemandem beibringe wie man gut Metaplankarten beschreibt und die an der Tafel hin und her schiebt, dann ist das auch keine Beteiligung. Aber Metaplankarten beschreiben zu können, clustern und damit weiter arbeiten zu können, ist auch ne wichtige Teilmethode um Jugendbeteiligung machen zu können. Und deswegen muss ich genau diesen einen Prozessschritt ja auch können. Genauso ist das mit den digitalen Tools. Ich ziehe nicht nur ne Metaplankarte aus meinem Moderationskoffer, sondern eben auch ein padlet, kahoot oder etherpad usw.
M: Oft hat man in den Workshops aber auch ganz unterschiedliche Wissensstände der Teilnehmenden vor Ort. Manche müssen erstmal lernen wie ein Tool funktioniert, so ganz grundlegendes. Die kennen den Unterschied nicht zwischen einer URL um eine Etherpad-Adresse einzugeben und der Google-Suchleiste oder sich die Software von Etherpad raufspielen und sich dann wundern, warum sie nicht alle auf diesem Pad landen. Da fehlt so grundlegendes Verständnis. Aber man muss ja erstmal über diese Schwelle hinauskommen um dann ein Gefühl dafür zu bekommen wie Kollaboration funktioniert um daraus dann auch Ideen entwicklen zu können.
K: Oder auch wie funktionieren Hashtags? Was ist eine Verschlagwortung im Internet eigentlich wirklich? Was für Zeichen funktionieren da und welche nicht für einen Hashtag? Ich finde, dass es total wichtig ist, dass es in unseren Workshops die Möglichkeit gibt, Fragen zu stellen, an diese Hürden zu kommen und sie gemeinsam bearbeiten zu können. Besser als wenn die Fachkräfte dann vor ihren eigenen Rechnern scheitern und dann keine Lust mehr haben. Ich gehöre zu den Leuten, die immer Schwanken zwischen: Cool, da ist noch ein Tool, das will ich ausprobieren, und, warum? Was kann dieses Tool jetzt, was andere nicht können und warum gibt es was neues. Ich gucke kritischer auf die Flut von Apps und Programmen und gleichzeitig will ich verstehen wie es funktioniert. Kann ich es anwenden? Ist es vielleicht besser? Ich weiß aber, dass diese Grundreaktion von, ich will verstehen, wie das funktioniert, nicht alle Menschen haben. Ich habe aber auch verstanden, dass die Euphorie ansteckend sein kann und Menschen motivieren kann in Workshops doch Sachen auszuprobieren.
Ein paar letzte Fragen für diese Podcastfolge:
Was ist dein Lieblingstool für Beteiligungsarbeit?
M: Da ist ein Unterschied zwischen, was benutze ich am meisten und was benutze ich am liebsten.
Wir benutzen sehr oft das Etherpad um Workshops zu dokumentieren. Ich legen vorher eine Struktur schon an, packe die Kleingruppenaufgaben rein, verlinke die PDF der Präsentation. Dann arbeiten die Kleingruppen auch noch kollaborativ drin. Da entsteht eine ordentliche Dokumentation, die zieht man dann nochmal gerade. Ich finde es immer noch ein sehr schönes Tool. Funktioniert in den Workshops zur Dokumentation immer noch sehr gut.
Aber mein Lieblingstool, da würde ich immer noch sagen, das ist Kahoot oder Mentimeter. Die sind einigermaßen schön designt. Open-Source-Entwickler*innen sollten sich mit Designer*innen zusammentun. Die Sachen sind oft nicht schön. Man muss ein bisschen aufpassen, man spricht ja auch von der Quizzifizierung von Bildung. Guido Brombach hat im letzten BZT Podcast gesagt, du lernst ein Tool wie Kahoot. Aber dann ist es eigentlich interessant, wie kannst du das Tool hacken und was kann ich damit noch machen. Und wenn du an dem Punkt angekommen bist, dann finde ich das unheimlich spannend. Kahoot hat jetzt ein neues Bezahlmodell. Du kannst in der kostenlose Variante nur noch so 5 Quizzes machen und einige Sachen sind da jetzt nicht mehr mit drin. Du kannst aber die Quiz-Variante auch einfach anders anmoderieren, mit anderen Fragen bestücken und kannst dann trotzdem eine Umfrage draus machen, bei der hinterher eine Excel-Tabelle rauskommt. Ich mag Kahoot noch sehr, weil es dieser Buzzer-Quiz-Prinzip ist und die Interaktion innerhalb von Präsentationen mega auflockert.
K: Magst du die Musik von Kahoot noch? Oder machst du sie aus?
M: Ich mache sie leise für die Teilnehmenden im Raum, damit son bisschen Jeopardy-Stimmung aufkommt. Man selber braucht vielleicht bald Oropax and der Stelle.
K: Was wünscht du dir für die digitale Jugendbeteiligung?
M: Ich wünsche mir generell das Beteiligung von Kindern und Jugendlichen erst genommen wird. Und dass Kinder und Jugendliche nicht nur Schmück- oder Beiwerk sind für irgendwelche Veranstaltungen, wie wir das noch häufig leider erleben. Sie sollen in ordentliche Beteiligungsprozesse integriert und mitgedacht werden und nicht erst hinterher, es braucht aber nochmal fünf Jugendliche auf der Bühne. Dann könnten wir uns den Anstrich geben als wären wir total jugendaffin, haben am Anfang aber überhaupt nicht drüber nachgedacht. Wenn es ein Wunschkonzert ist, würde ich sagen, geil wäre ein Digitalpakt außerschulische Medienbildung, wo Jugendzentren, Jugendhäuser in ganz Deutschland auch die gleiche Kohle bekommen wie Schule jetzt und überall Glasfaser reingelegt wird und fette Router und geiles Internet und geile Qualifizierungen und Medienkonzepte für Jugendzentren.
K: Vielen Dank, dass du bei uns im Podcast warst.
Links
#OERcamp
jugend.beteiligen.jetzt
Deutsche Kinder- und Jugendstiftung
Deutschen Bundesjugendring
IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Podcast von jugend.beteiligen.jetzt
Curriculum „Praxis digitale Jugendbeteiligung“
Campertool
Qualifizierungskurs Digitale Jugendbeteiligung in Mecklenburg-Vorpommern
Tricider
Etherpad, z.B. https://yourpart.eu
Padlet
Kahoot!
Mentimeter
Talk & Tools:
Tipps, Feedback und Fragen? gerne per Mail an: ">
Podcast-Internetseite
Projekt Digitale Jugendbeteiligung
Instagram @digitalejugendbeteiligung
Newsletter
Musik: Creative Commons Music by Jason Shaw on Audionautix.com
Talk and Tools – der Jugendbeteiligungs-Podcast von Katharina Bluhm ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
Beitrag vom 23. März 2020