Journalisten und Medien kämpfen überall auf der Welt mit politischen Schwierigkeiten. Unabhängige Presse ist häufig verboten und Vielfalt durch Medienkonzentration, staatliche Monopole oder Zensur eingeschränkt. Journalisten werden attackiert, verfolgt und kriminalisiert − oder geächtet. Die heute von der Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen (RoG) zum zweiten Mal veröffentlichte Rangliste gibt Aufschluss über den Grad der Medienfreiheit in 164 Ländern. Auf den letzten Rängen stehen Nordkorea und Kuba. Allein acht der zehn untersten Plätze belegen asiatische Staaten. In Laos, China, Vietnam, Iran oder Turkmenistan stehen Medien unter strenger Kontrolle. Journalisten, die sich nicht an die staatlich verordneten Vorgaben halten, riskieren Verhaftung, Gefängnisstrafen oder die Flucht ins Exil. Die EU−Anwärter Litauen, Estland und Lettland befinden sich unter den ersten Zwanzig. Als Musterbeispiele für Pressefreiheit gelten wie im Jahr zuvor die skandinavischen Länder. Deutschland nimmt den achten Rang ein.
Bestätigt hat sich ein weiteres Mal, dass Medienfreiheit kein Monopol reicher Staaten ist, sondern auch ökonomisch schlecht gestellte Länder
bewahren die Pressefreiheit. So befinden sich Benin (29.), Osttimor (30.) und Madagaskar (46.) unter den ersten 50 Staaten. Umgekehrt stehen reiche Staaten wie Bahrain (117.) oder Singapur (144.) unter den 50 am schlechtesten platzierten Nationen.
Kuba steht in diesem Jahr auch deshalb auf dem vorletzten Listenplatz, weil im Frühjahr diesen Jahres 26 unabhängige Journalisten verhaftet und zu Gefängnisstrafen zwischen 14 und 27 Jahren verurteilt worden waren. Ihnen wird vorgeworfen, im Ausland Artikel veröffentlicht zu haben, die
"imperialistische Interessen" bedienten. Kuba ist − wie RoG konstatiert − "derzeit das größte Gefängnis für Journalisten weltweit". Eritrea
(162.) nimmt die Stellung eines unrühmlichen "Spitzenreiters" auf dem afrikanischen Kontinent ein. Seit zwei Jahren erscheinen keine unabhängigen Zeitungen mehr. 14 Journalisten werden ohne offizielle Anklage an unbekannten Orten festgehalten.
Reporter ohne Grenzen hat Journalisten, Wissenschaftler, Juristen und Menschenrechtsverteidiger mit einem detaillierten Fragenkatalog zur Situation der Medienfreiheit in ihrem jeweiligen Land befragt. Die Fragen galten Themen wie gewalttätigen Übergriffen, Morden oder
Verhaftungen. Auch nach Zensur, staatlichen Monopolen oder dem Einsatz von Regierungen für die Pressefreiheit wurde gefragt. In diesem Jahr
lagen für 164 Länder verlässliche Informationen und auswertbare Fragebögen vor, im Jahr 2002 waren es 139. Der Index bezieht sich auf den Zeitraum zwischen September 2002 und September 2003; er spiegelt nicht die allgemeine Menschenrechtslage eines Landes wider.
Besondere Wertung für USA und Israel
Mit Platz 31 für die USA und Platz 45 für Israel schneiden beide Länder hinsichtlich der Wahrung der Pressefreiheit im eigenen Land relativ gut
ab. Doch wegen Einschränkungen der Pressefreiheit im Zusammenhang mit den militärischen Einsätzen außerhalb der Landesgrenzen (Irak bzw. besetzte
Gebiete) wurden beide Länder in einer besonderen Bewertung zusätzlich zu ihren vorderen Rängen weit nach hinten auf die Plätze 135 (USA) und 146
(Israel) gesetzt. Übergriffe gegen Journalisten durch die israelische Armee in den besetzten Gebieten und die Verantwortung des amerikanischen
Militärs für den Tod mehrerer Reporter im Irakkrieg rechtfertigen die unterschiedliche Einstufung.
Europa: Skandinavien ganz vorn
Ganz oben auf der Liste stehen − wie im Vorjahr − vier europäische Länder: Finnland, Island, Norwegen und die Niederlande teilen sich den
ersten Rang. Die Medienfreiheit wird in diesen Ländern gewissenhaft respektiert. Zudem wird ihr Eintreten für die Medien− und Informationsfreiheit auch in anderen Ländern positiv bewertet. Aufgrund
des Interessenkonflikts Silvio Berlusconis, der gleichzeitig Ministerpräsident und Eigentümer eines Medienimperiums ist, rangiert Italien auf Platz 53. Ebenso nachteilig hat sich die geplante und für Berlusconis Interessen maßgeschneiderte Reform des Hörfunk− und Fernsehgesetzes ausgewirkt. Das relativ schlechte Abschneiden Spaniens (43.) steht in Verbindung mit erschwerten Arbeitsbedingungen von Journalisten im Baskenland. Drohungen der baskischen Terrororganisation
ETA, Reporter und Medien zu attackieren, die nicht in ihrem Sinne berichten und die "vorsorgliche" Schließung der baskischen Zeitung "Egunkaria" im Rahmen des Anti−Terror−Kampfes wurden in die Wertung einbezogen. Der Grund für den Rang 26 Frankreichs ist ein obsoletes Verleumdungsgesetz. Außerdem stand der Quellenschutz öfter in Frage.
Auch wurden Medienvertreter zur Personalienüberprüfung mehrfach von der Polizei festgenommen.
Die Staaten der ehemaligen Sowjetunion hinken in Sachen Pressefreiheit alarmierend hinterher.
Die Situation in Russland (148.) selbst, in der Ukraine (132.) und in Weißrussland (151.) ist nach wie vor Besorgnis erregend. Zwar existiert in Russland eine unabhängige Presse, doch herrscht auch eine strikte Zensur zum Thema Tschetschenien. Mehrere Journalisten wurden ermordet.
Ein AFP− Korrespondent wurde in Inguschetien entführt. Russland und die GUS−Staaten bleiben für Journalisten eines der gefährlichsten Gebiete in
der Welt. In Zentralasien, besonders in Turkmenistan (158.) und Usbekistan (154.), stehen Medien unter der strengen Kontrolle und
Überwachung ihrer Regierungen. Kritische Berichterstattung wird nicht toleriert.
Verschlechterung in den arabischen Ländern / Mittlerer Osten
Im Zuge des Irakkrieges haben eine Reihe arabischer Regierungen einen härteren Kurs gegenüber den Medien eingeschlagen. Stärkere Kontrolle und erzwungene Selbstzensur gehören zu den üblichen Methoden. Der Libanon (106.) hat seine "Führungsposition" in der arabischen Welt in Sachen Pressefreiheit an Kuwait (102.) übergeben. In Saudi Arabien (156.), Syrien (155.), Libyen (153.) und Oman (152.) unternehmen die Regierungen
alles, um eine unabhängige Presse erst gar nicht aufkommen zu lassen.
Afrika: Informationsfreiheit als Opfer des Krieges
Kriege und politische Krisen auf dem afrikanischen Kontinent haben sich negativ auf die Pressefreiheit ausgewirkt. Gleich drei Länder haben, im Vergleich zum Vorjahr, einen deutlichen Abstieg im Ranking hinter sich: Elfenbeinküste (137.), Liberia (133.) und Guinea−Bissau (119.). In Guinea−Bissau hat die Armee Zeitungen geschlossen. In Liberia und an der Elfenbeinküste gerieten in− und ausländische Journalisten in die
Schusslinie der Krieg führenden Parteien.
Gewalt gegen Journalisten von nichtstaatlicher Seite nimmt zu. Mehrere Länder sind schlecht platziert, obwohl sie demokratisch regiert
werden und über unabhängige Medien verfügen: zum Beispiel Bangladesch (143.), Kolumbien (147.) oder die Philippinen (147.). In diesen Ländern
gehen Gewalttaten gegen Journalisten nicht in erster Linie von den Regierungen aus, sondern von Parteien, der organisierten Kriminalität,
religiösen Gruppen oder Guerillaverbänden. In Nepal (150.) gerieten die Medienvertreter ins Kreuzfeuer von Sicherheitskräften und Rebellen.
Journalisten in diesen Ländern müssen um ihre Sicherheit fürchten, wenn sie über Korruption, Interessenskonflikte zwischen Politikern,
organisierte Kriminalität oder Auseinandersetzungen zwischen religiösen Gruppierungen berichten. Regierungen haben versäumt oder waren nicht fähig, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Journalisten zu
schützen, Übergriffe aufzuklären und die Täter zu bestrafen.
Die Rangliste, der Fragenkatalog und weitere Informationen können im Internet unter www.Reporter−ohne−Grenzen.de oder www.rsf.org abgerufen werden.
Ansprechpartnerin:
Sabina Strunk
Tel: 030−615 85 85
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Reporter ohne Grenzen
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Beitrag vom 6. November 2003