Die Spaß-Generation hat im Hochwasser kräftig zugepackt


Dresden (dpa) − Die Spaß−Generation packt an: Beim Hochwasser haben sich viele Jugendliche als selbstlose Helfer in der Not erwiesen und damit die landläufigen Vorurteile widerlegt, sie seien nur an Party, Konsum und sich selbst interessiert. Sie schleppten Sandsäcke, halfen alten und kranken Menschen, bargen Mobiliar und verteilten Hilfsgüter.

«Sind Sie der Einsatzleiter? Ich habe drei Stunden geschlafen und bin jetzt wieder fit für den nächsten Auftrag», fragt ein Jugendlicher hastig einen Reporter, der zu nächtlicher Stunde den finsteren Theaterplatz in Dresden mit einer Taschenlampe inspiziert. Der junge Helfer wirkt noch schlaftrunken. Als er aber vom Bau eines Dammes in der Münzgasse zur Frauenkirche erfährt, stürzt er Hals über Kopf zum nächsten Einsatzort.

Solche Szenen haben sich in Dresden und anderswo in der vergangenen Woche hundertfach abgespielt. Wo immer Gefahr im Verzug war, packten Mädchen und Jungen von Anfang an tatkräftig zu. «Da wir schulfrei haben, war das für mich selbstverständlich», sagt der 16− jährige Gymnasiast Robert. Im Stadtteil Striesen hat er die Sintflut der Elbe trocken überlebt. Dennoch ist er mit Freunden seit Tagen am Wasser unterwegs und hilft bei der Sicherung von Sandsack−Dämmen.

Der 15−jährige Eric aus dem nahezu vollständig überfluteten Viertel Laubegast hat bis zuletzt das Einfamilienhaus seiner Familie mit verteidigt. Möbelrücken, Sandsäcke füllen und Barrieren bauen ersetzten in der vergangenen Woche für ihn den Schulalltag. Erst ganz zuletzt ließ sich Eric am Freitagabend von einer Feuerwehr aus dem inzwischen komplett eingeschlossenen Stadtteil herausbringen.

«Die meisten Leute sind nur Neugierige und machen Fotos oder Filmaufnahmen. Aber die Jugend packt zu», schildert eine Rentnerin aus Dresden−Tolkewitz ihre Erfahrungen. Vom Gartenzaun aus habe sie das Geschehen genau verfolgt: «Die Jugendlichen waren die Besten.»

Beim Kampf gegen die Fluten kommt der Spaß aber auch nicht zu kurz. «Ich habe hier schon jede Menge coole Typen kennen gelernt», erzählt die 17−jährige Anne von ihren Hochwasser−Erfahrungen. Über die vielen Gaffer kann sie sich nur wundern. «Möchte mal wissen, wie die buckeln würden, wenn ihr eigenes Haus betroffen wäre.»

Nicht selten waren die jungen Helfer mit ihrem Tatendrang aber auf sich allein gestellt. Übereinstimmend berichten viele, dass selbst mehrmalige Anrufe bei der Stadtverwaltung wenig Aufklärung brachten, wohin sie sich bei Hilfseinsätzen wenden müssen. Vermutlich sind die meisten auf eigene Faust zu kleinen Helden geworden.

Quelle: www.sz−online.de/artikel/65.html

[hcr]

Beitrag vom 22. August 2002