Null-Bock-Generation?


"Die heutige Jugend ist faul, desorientiert und konsumgeil!" − so lautet zumindest das Ergebnis einer Shell − Studie über das Engagement und die Einstellung heutiger Jugendlicher zu ihrem Umfeld.

Ein landesweites Beteiligungsprojekt in Mecklenburg−Vorpommern widerlegte diese Darstellung im vergangenen Jahr. Unter der Devise "Jugend im Landtag" (JIL) kamen 100 Jugendliche im September 2000 in der Landeshauptstadt Schwerin zusammen. In den fünf Tage intensiver Arbeit gelang es den jungen Leuten, sich direkt an Politik zu beteiligen, eigene Ideen und Vorschläge zu jugendrelevanten Fragen einzubringen und ihre Ergebnisse in einem Forderungskatalog zusammenzufassen. Diesen übergaben sie im Rahmen der Abschlussveranstaltung dem Landespräsidenten von Mecklenburg−Vorpommern, der auch die Schirmherrschaft dieser Veranstaltung trug, Hinrich Kuessner. Als dringend notwendig angesehen wurden darin z.B. die Erhöhung der Mittel für Jugendarbeit, die Vereinfachung der Bürokratie in Bezug auf Jugendprojekte und die bewusste Integration Jugendlicher. Die Landtagsfraktionen erklärten sich bereit, die Gedankten und Bedürfnisse der Jugend Mecklenburg−Vorpommerns innerhalb eines halben Jahres zu

bearbeiten und darüber hinaus zu den Forderungen öffentlich Stellung zu nehmen.

Neun Monate später, am 26.06.2001 wurden die an "Jugend im Landtag" beteiligten Jugendlichen zu einem parlamentarischen Abend nach Schwerin eingeladen. Etwa 50 JiL−TeilnehmerInnen fanden sich gegen 19.00 Uhr im Schlosskaffee zusammen. Diana, die Vorstandssprecherin des Landesjugendringes, eröffnete mit einer kurzen Rede die Veranstaltung. Es folgte ein Grußwort von Hinrich Kuessner, der die Beteiligungsaktion im vergangenen September als einen großen Erfolg bezeichnete. Sylvia Brettschneider; eine Vertreterin der SPD−Landesfraktion, hatte als erste das Wort. Im Vorfeld wurden die Ergebnisse dieser Fraktion in schriftlicher Form den Jugendlichen bekannt gegeben. Die SPD beschäftigte sich vor allem mit der Eingliederung von Ausländern in unsere Gesellschaft, der Integration von Behinderten und dem Rechtextremismus. Darüber hinaus wollen die Politiker dieser Fraktion die Kommunalverfassung jugendgerechter gestalten. Frau Brettschneider betonte mehrmals, dass "Politik kein einfaches Geschäft" sei, und dass "Geduld sehr erforderlich" dabei sei.

Später übernahm Lorenz Caffier, ein Politiker der CDU−Landesfraktion, das Wort. Zunächst sagte er, dass die Ergebnisse aller Fraktionen sehr ähnlich und teilweise sogar gleich sind. Viele Anwesende bemängelten das Nichtvorhandensein einer schriftlichen Antwort auf die im September gestellten Forderungen. Herr Caffier war außerdem nicht in der Lage, direkt auf die einzelnen Themen, mit denen sich die Jugendlichen im vergangenen Jahr auseinandergesetzt haben, einzugehen. Der CDU−Politiker äußerte den Wunsch auf intensive Zusammenarbeit mit dem Landesjugendring.

Als "Letzter in der Runde" gab der Abgeordnete der PDS−Landesfraktion, Monty Schädel, die Ergebnisse seiner Partei bekannt. Auch von dieser Fraktion gab es vor dem parlamentarischen Abend eine schriftliche Darlegung ihrer ausgearbeiteten Aspekte. Die PDS möchte keine Doppelstruktur im Bezug auf Jugendbeteiligung schaffen. Junge Leute sollten ihrer Auffassung nach in der Zukunft Stimmen bekommen, wo die "Erwachsenen auch Stimmen haben". Als Ziele hat sich die PDS die Novellierung der Kommunalverfassung und die Schaffung eines Kinder− und Jugendausschusses im Landtag gesetzt. Die Präsentation des PDS−Fraktion wurde mit folgendem Satz beendet: "Drückt uns, tretet uns ein bisschen, damit wir uns schneller bewegen."

Im Anschluss wurde das vom Schweriner Stadtjugendring zum Thema "Auswanderung Jugendlicher in Mecklenburg−Vorpommern" gedrehte Video vorgeführt. Dirk Sibernik (Geschäftsführer von Stadtjugendring Schwerin) übernahm die Moderation der darauffolgenden Diskussion. Entgegen aller Erwartungen kam es zu einem langen und sehr tiefgründigen Gespräch zwischen den anwesenden Jugendlichen und den Politikern. Leider gab es auch in diesem Fall nur mangelhafte Antworten auf die gestellten Fragen von der Seite der Landtagsabgeordneten. Die Hauptthemen dieser Diskussion waren Rechtextremismus, finanzielle Lage der Jugendvereine und die Bürokratie im Bezug auf Jugendarbeit.

Viele TeilnehmerInnen dieser Veranstaltung verließen mit enttäuschten Gesichtern das Schlosskaffee. Nach neun Monaten Wartezeit haben die meisten von ihnen sich mehr von den Landtagsabgeordneten versprochen.

[Ludmila Lutz]

Beitrag vom 27. Juni 2001